Sehr geehrte Damen und Herren,
In wenigen Tagen werden sie über die Einführung der Impfpflicht entscheiden. In einer Flut von Stellungnahmen zum Covid-19-IG sind schwerwiegende Argumente vorgebracht worden, die aus epidemiologischen, medizinischen, rechtlichen und verwaltungstechnischen Gründen gegen das Gesetz sprechen. Diese enorme Zahl von Stellungnahmen ist ein Hinweis darauf wie sehr dieses Gesetz die Menschen aufwühlt. Sollte das nicht Grund genug sein, das Vorhaben nochmals zu überdenken?
Dennoch will die Regierung trotz aller Bedenken bei ihrem Vorhaben bleiben. Der angekündigte Feinschliff ändert nichts daran, dass sie mit diesem Gesetz, mit wenigen Ausnahmen, alle auf österreichischem Staatsgebiet lebenden Personen verpflichten sich mit bedingt zugelassenen Substanzen impfen zu lassen, deren epidemiologischer Nutzen fragwürdig ist und deren Langzeitfolgen unbekannt sind. Ich glaube, dass unbeschadet aller fachlichen Argumente das natürliche Empfinden so eine Vorgangsweise ausschließen sollte.
Ich habe bereits in meinem ersten offenen Brief an sie die Entscheidung von Kaiser Franz I zitiert, als er über eine Impfpflicht gegen Pocken entscheiden musste. Ich möchte dies nochmals tun, weil ich glaube, dass seine Begründung auch heute noch Gültigkeit hat.
„Bevor die gänzliche Überzeugung nicht vorhanden ist, dass die Vaccination ganz vor den natürlichen Pocken schützt, kann von Seiten des Staates nicht zwangsweise vorgegangen werden.“
Mich beeindruckt, dass ein absoluter Herrscher seinen Untertanen nicht zumuten wollte sie zu einer Impfung zu verpflichten, die nach damaligen Stand der Wissenschaft nicht ausreichend Schutz bot. Sollten sie sich als demokratisch gewählte Vertreter des Volkes diese Selbstverständlichkeit nicht auch zu eigen machen?
In meinem ersten Brief an sie habe ich auch auf die verheerenden politischen Folgen hingewiesen, die durch die sachlich nicht begründbare Einführung der Impfpflicht verursacht werden.
Es ist beschämend, dass Österreich Vorreiter einer fragwürdigen Impfpflicht werden will, obwohl wir angesichts unserer Geschichte die Vorreiter einer freien Impfentscheidung sein sollten. Die internationalen Konventionen, die jede Diskriminierung aus gesundheitlichen Gründen ausschließen und für die sich Österreich immer besonders eingesetzt hat spielen plötzlich keine Rolle mehr. Als österreichischer Offizier, der das neutrale friedliche Österreich fast 2 Jahrzehnte lang mit Stolz in internationalen Organisationen und Missionen vertreten hat, finde ich das besonders bedauerlich.
Die größte Sorge sollte uns aber die gesellschaftliche Spaltung bereiten, die bereits erschreckende Ausmaße angenommen hat. Die Folgen der gesellschaftlichen Spaltung wiegen schwerer als die Gefahren der Pandemie. Die ungerechtfertigte Ausgrenzung der Ungeimpften und die Entscheidung zur Impfpflicht treiben einen tiefen Keil in unser Gemeinwesen. Wir versinken in eine jahrelange Dauerkrise, die personelle und materielle Mittel verschlingt, die wir für die Lösung anderer Probleme dringend benötigen würden.
Österreich war für mich Friede, Freiheit, Freude. Die meisten von ihnen waren noch nicht geboren als Bundeskanzler Leopold Figl vom Balkon des Belvedere ausrief: Österreich ist frei! Sie haben auch nicht miterlebt welche positive Energie damals freigesetzt wurde und welche Aufbruchstimmung das Land erfasste. Heute sehe ich nur Streit, Zwang und Angst. Statt Zuversicht herrscht vielfach Verzweiflung. Statt schöpferischer Vielfalt regiert einheitliche Ausrichtung. Wollen sie wirklich mit ihrer Stimme diesen Zustand weiter befeuern?
Die alternativlose Politik „testen, testen, testen“ und „impfen, impfen, impfen“ hat unseren Blick verengt und Verhaltensweisen außer Acht gelassen, die sich bei der Bewältigung von Krisen in der Praxis bewährt haben. In einer Krise gilt es Angst und Panik zu vermeiden, Reserven zu mobilisieren und umsichtig zu handeln. Die flexible Nutzung von Chancen und Ressourcen ist gefragt und nicht das sture Festhalten an einem einmal eingeschlagenen Weg. Omikron mit seinen milden Verläufen verheißt Chancen, die sorgfältig geprüft werden sollten. Wir hingegen verschärfen sofort die Maßnahmen und verstärken die Ängste, in dem wir Masken auch im Freien vorschreiben.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Parlament steht in den nächsten Tagen im Zentrum des Geschehens. In dieser Woche fällen sie wahrscheinlich die wichtigste Entscheidung in ihrem parlamentarischen Leben. Nutzen sie bitte ihr unabhängiges Mandat und entscheiden sie nach ihrem eigenen Urteil, das sie auch persönlich verantworten können. Denken sie daran, dass dieses Gesetz in die körperliche Unversehrtheit aller Österreicher eingreift. Sie wurden gewählt um in kritischen Momenten ohne parteipolitische Vorgaben nur das Wohl des Volkes im Auge zu haben. Die Entscheidung über die Impfpflicht ist so ein Moment. Er könnte zur Sternstunde des Parlaments werden.
Mit ihrer Entscheidung haben sie die Wahl entweder die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft weiter voran zu treiben, in dem sie die bisherige alternativlose Corona Politik unterstützen, die Millionen Österreicher grundlos ausgrenzt und sie ohne Not zu einer fragwürdigen Impfung zwingt oder die Spaltung zu beenden und den Weg zur solidarischen Bewältigung der gesundheitlichen und gesellschaftlichen Doppelkrise frei zu geben.
Wenn sie dem Miteinander, das alle Politiker so gerne betonen, eine Chance geben, werden sie staunen welche schöpferischen Kräfte sie dadurch freisetzen. Es gibt bereits mehrere fachlich fundierte Initiativen für ein ganzheitliches Management der Pandemie, das ohne Angst und Zwang Erfolg verspricht. Verwandeln sie die lähmende Angst, die Österreich befallen hat, in Vertrauen und Zuversicht.
Verwerfen sie das Covid-19-IG und verfassen sie stattdessen eine Entschließung des Nationalrates, in der sie die Regierung auffordern alle diskriminierenden Maßnahmen sofort zu beenden und dem Parlament unverzüglich eine ganzheitliche Strategie zur Bekämpfung der Pandemie und zur Beendigung der Spaltung der Gesellschaft vorzulegen.
Brechen wir gemeinsam auf um jenes Österreich wieder herzustellen, das wir lieben, ein Österreich des Friedens, der Freiheit und der Freude.
General i.R. DI Mag. Günther Greindl